Donnerstag, 28. Juni 2012
Mittwoch, 27. Juni 2012
Dienstag, 26. Juni 2012
Samstag, 23. Juni 2012
Freitag, 22. Juni 2012
Donnerstag, 21. Juni 2012
Dienstag, 19. Juni 2012
Montag, 18. Juni 2012
Sonntag, 17. Juni 2012
Samstag, 16. Juni 2012
Dienstag, 12. Juni 2012
Montag, 11. Juni 2012
Sonntag, 10. Juni 2012
Samstag, 9. Juni 2012
Freitag, 8. Juni 2012
Donnerstag, 7. Juni 2012
Nachtflugschreiber 6: Meuterei
Selten
ist – schreibt er – unsereins hilfloser als wenn die täglichen Hilfsmittel
versagen, die technisch hochgerüsteten. Ein Tintenstrahldrucker ist kein
Gänsekiel, den man nachspitzen kann, keine eingetrocknete Tinte, die man
nachfüllen kann, eh’ vermag heut keiner mehr sich seine Tinte selber zu
mischen. Ich sitze vor einem Wunderwerk, ausgeklügeltes Ergebnis langer
Erfindungen, scharfsinniger Verbesserungen, die äußere Kleinheit des Geräts täuscht
über seine innere Größe hinweg. Was in ihm vorgeht ist mir verborgen,
verschlossen für alle Zeit. Das ist kein Fahrrad, dem man mit einigen Schrauben
und Muttern auf die Schliche käme. Solche Geräte kann man bestenfalls nutzen,
nicht verstehen. Selbst die vollständige mögliche Nutzung bleibt mir
verschlossen; im Kampf mit der Gebrauchsanweisung hab ich vorschnell klein bei
gegeben.
Der
„analoge“ Schreiber hat Papier, Tinte und seine Feder. Was hinzukommt, ist
seine Handschrift und eben sein Geist. Das zählt hier nicht. Von diesem
technischen Schreib-&Malgerät weiß ich sowenig, als wüsste ich von einem
Buch nur, dass man es aufschlagen, umblättern, zuschlagen kann. Diese Maschine
nimmt mir soviel ab,- im doppelten Sinne; wenn sie es einmal nicht tut, bin ich
verloren. Wut, Scham, Enttäuschung, über mich selber. Hass auf die unschuldige
Maschine, die mich plötzlich zum Analphabeten degradiert.
Mittwoch, 6. Juni 2012
Nachtflugschreiber 5: Geklautes Auto,- geklautes Leben
Mit
großen Augen – schreibt er - folge ich dem Sog auf der Rennbahn der 250 Seiten,
höchst amüsiert über den artistisch getroffenen Jugendjargon, neidisch über das
erzählerische Feuerwerk. (Herrndorf, „Tschick“) Am Ende klapp ich das Buch zu
und bin kleinlaut; unzufrieden mit meinem Leben, dem jetztigen, aber auch dem von
früher. Natürlich weiß ich und hier ist es mir deutlicher als kaum je geworden:
das Leben und die Erzählung von ihm sind durchaus nicht dasselbe, wie linker
und rechter Schuh kann man sie niemals vertauschen. Und ich weiß bei der
fulminanten Schlussszene: die Alkimutter schmeisst ihren ganzen Bürgerplunder in
den Swimmingpool, der verzagte Taugenichtssohn, eben von einem Wahnsinnstrip
wieder heimgekehrt hilft mit. Und sie springen beide hinterher. Aber sie
bleiben unter Wasser nur solange, bis die Titel des Abspanns darüber
hinweggeflimmert sind. Dann werden sie prustend wieder auftauchen und nun geht
das Leben weiter, so öde wie vorher. Das wirkliche Leben.
Bin
ich Spielverderber, - schreibt er – wenn ich mein Lesevergnügen in diese
Moralsauce tunken, dass Leben und Literatur nur sehr entfernte Verwandte sind?
Kindern, die beim Menschärgredichnicht heulen ermahnt man: Ist doch nur ein
Spiel. Als Erwachsner sollte man links und rechts nicht mehr verwechseln. Aber
wie viel Verführung weht uns aus guten Texten an, sie für bare Münze zu nehmen,
für eine Währung, die auch im eigenen Leben was gilt. Spricht es für das jugendstrotzende
Buch oder gegen den alten Mann, dass so ein rasantes, sich überkugelndes roadmovie
einen auf den Gedanken bringt, sein eigenes Reisen, früher, gar jetzt, auf den
Prüfstand zu hieven? Wie glatt, wie flurbereinigt sind –schreibt er - meine
Reisen nach Venedig zB, und Venedig, das ist immerhin schon was.
Dienstag, 5. Juni 2012
Nachtflugschreiber 4: Traumgesindel
Die
Nacht – schreibt er – ziehe ich in einem Netz hinter mir her, das immer
schwerer wird. Ein Fang der seltsamsten Geschehnisse und Geschöpfe, ich darein
verwickelt, ohne dass ich es verstünde. Am Morgen trete ich, nein taumle ich –
schreibt er – oft schwer atmend und noch in mich verhakt durch eine schmale Tür
ins windigkühle Freie hinaus. Mit Anstrengung versuche ich das Netz mit hinaus
ins Licht zu ziehen. Da drückt sich die Tür hinter mir zu, zerreißt den Faden,
an dem alles hing und trennt mich auf schmerzliche Weise von all meinem
vielversprechenden Nachtfang. Betrübt über meinen Verlust – schreibt er –
presse ich, beutelos, mein Ohr an die Tür, die nur von innen zu öffnen ist. Ich
höre nichts. Oder ist das spöttische Gelächter, sich entfernende Schritte,
erbleichende Farben auf mich gemünzt? Traumgesindel. Es nistet ohne meine
Erlaubnis in mir. Oder bin ich sein Untermieter? Es hat Flügel, entkommt fast
immer. Jeden Morgen fühle ich mich neu verarmt.
Montag, 4. Juni 2012
Nachtflugschreiber 3: Karussell
Soll
man’s bestaunen, - schreibt er -, beneiden oder mürrisch verbieten? In der U-bahn,
eine Mutter, zwei kleine Kinder. Alle drei stehen im Eingangsbereich, die Jungs
aber nutzen die Haltestange zum Kreisverkehr. Das machen Kinder gern, meist
werden sie nach der ersten Runde von ihren Müttern abgebremst; real am
ausgestreckten Arm oder mit giftigen Worten. Diese Mutter hält sich raus. Um so
rasender treiben’s die Beiden. Die Erwachsenen, die Alten vor allem, schauen
geduldig verdrossen weg. Das Kreischen der Beiden wird lauter. Es kommt, was zu
erwarten war: einer der Beiden tut sich weh, aber der Größere jagt ihn weiter
im Kreis. Da sagt die Mutter nur sachlich zu ihm: „Du musst ihm sagen, dass du
nicht mehr möchtest“. Doch der Taumel geht weiter. Eine alte Frau steigert das
Stirnrunzeln zum Kopfschütteln, was sie murmelt kann man nicht verstehen, aber
sich vorstellen. Wie schnell – schreibt er – hätte meine Mutter mir eine
geklatscht. Weil damals andere Zeiten waren und ich im Alter dieser zwei
Kleinen mit meiner Mutter in den Luftschutzkeller gehetzt bin? Ach nein –
schreibt er – das ist noch nicht der Kern: das Orgiastische ist es, was, je
nach Mentalität bei den gezwungenen Zuschauern, Neid, Peinlichkeit, Hass
auslöst. Die zwei stürmen voran, von der Fliehkraft der Kreisbewegung zugleich
gehalten und weitergeschleudert. Hemmungslos leben sie ihren Rausch aus,- wenn
nicht auch ein wenig eitle oder ärgernde Inszenierung für das Publikum ringsum
dabei ist. Ihr Schreien ist Lustschrei, ihr Taumeln ist Auflösung. Das „geht
nicht“, so hemmungslos, vor aller Augen.
Sonntag, 3. Juni 2012
Nachtflugschreiber 2: Wie laut ist die Stille?
Draußen
auf dem Land – schreibt er – wenn ein Auto kommt, brummt es sich fett und
rechthaberisch ein Loch in die weiche Stille, nein kein Loch, einen Klumpen; knotig, vibrierend. Dann hält das
Auto an – schreibt er -, der Motor
wird ausgeschaltet, das Geräusch schnurrt zusammen, verröchelt, verlöscht. Und
schon, wie nach einem Messerschnitt durch das Wasser, schließt sich die Stille
wieder, ist randlos, verliert sich im Horizont des Unhörbaren. Es bleibt – schreibt
er - keine Wunde im Ohr zurück.
Samstag, 2. Juni 2012
Nachtflugschreiber 1: Mückenschlaflosigkeit
Das
war – schreibt er – wieder eine dieser Quälnächte; der Schlaf versiegelt,
uneindringbare Lederwand, kein Schlupfloch für mich. Das Herz – schreibt er –
stampfend, nein: hochtourig voranstolpernd. Vogelkäfigflattern, bald bist du
flügellahm. Das anschwellende Mückendröhnen, Stuka, sagte mein Vater. Nicht
weniger bedrohlich das Verstummen: jetzt also gelandet, auf mir. Ich rede mir
gut zu – schreibt er - : soll sie doch stechen. Aber die Panik schlägt
blindlings zu, trifft den eigenen Leib. Und bald schon schwillt der Ton: erneuerter
Angriff. Im Liegen – schreibt er – stehe ich steif aufgerichtet; wie der
Tennisspieler bin ich ganz Lauern auf den anrasenden Ball. Unsichtbar kommt er von
hinten.
Freitag, 1. Juni 2012
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